Herbst im Okanagan Valley

Viele Kanadier sagen, die Provinz British Columbia (kurz BC) seid die schönste in Kanada und das Okanagan Valley der schönste Teil von BC. Da unsere Tage in Kanada langsam gezählt sind und wir bald südwärts in die USA weiterziehen werden, haben wir uns mit der Wahl dieses Landstriches das Beste für den Schluss aufgespart.

Nach den vielen Regentagen im Grossraum Vancouver, welche typisch für diese Jahreszeit sind, wollten wir unbedingt wieder mehr Sonnenschein geniessen. Wir wurden nicht enttäuscht. Das rund 180km lange Okanagan Valley ist die Sonnenstube Kanadas. Die Landschaft ist merklich trockener, ganz im Süden fast schon ausgedörrt. Dank des trockenen Klimas gibt es Dutzende Weingüter und unzählige Obstplantagen … und auch ein paar gute Bikegebiete. Uns gefiel es so gut, dass wir fast zwei Wochen in diesem schönen Tal verbrachten. Vor allem die Gegend um Penticton und Naramata hatte es uns besonders angetan.

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Das Okanagan Valley ist DIE Weingegend von Kanada

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Fischreiher auf der Jagd

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Livio im Kinderturnen

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Auch Fabio gefällt's im Kinderturnen

Doch der Herbst schreitet unaufhaltsam voran, die Tage und die Nächte werden deutlich kühler. Die Bäume leuchten in den typischen, warmen Herbstfarben. Vereinzelt macht sich Nebel breit und die Bergspitzen sind bereits schneebedeckt. Der Winter steht unmittelbar vor der Türe.

Wir sind nun wieder die einzigen Touristen, was aber durchaus seine Vorteile haben kann. Die allermeisten Campingplätze und sonstigen touristischen Einrichtungen sind wieder geschlossen. Dies erinnert uns fast schon ein wenig an die ersten 1-2 Monate nach unserer Ankunft in Kanada. Wir geniessen jetzt noch die letzten Tage in Kanada, bevor wir – wie die Zugvögel – in Richtung Süden aufbrechen.

Wenn Öl- und Reifenwechsel zur Herausforderung werden

Mit dem eigenen Wohnmobil durch Nordamerika zu reisen, hat zweifellos seine Vorzüge. Unser europäischer Dieselmotor verbraucht deutlich weniger Treibstoff wie die Motoren, welche in nordamerikanischen Wohnmobilen üblicherweise ihren Dienst verrichten. Unsere Solaranlage versorgt uns mit Strom im Überfluss, sodass wir gar keinen Bedarf haben, unser Wohnmobil an eine Steckdose anzuschliessen, wohingegen nordamerikanische Reisemobile in der Regel nicht über Solarpanels verfügen und demzufolge viel stärker von externen Stromquellen abhängig sind. Und schliesslich kann kein Mietfahrzeug die Behaglichkeit des eigenen Gefährts ersetzen.

Doch es gibt auch Nachteile. Bereits im Frühling konnten wir unsere europäische Wohnmobil-Heizung nur mit Mühe und Not wieder reparieren. Ersatzteile und Servicestellen für unsere Heizung fanden sich in ganz Nordamerika keine. An zwei weiteren Beispielen wurde uns einmal mehr bewusst, dass wir mit der Mitnahme des eigenen Fahrzeuges nicht gerade ausgetretene Pfade beschreiten.

Zum einen erfuhren wir beim Ölwechsel, dass Ford nicht gleich Ford ist. Als unser Bordcomputer anmerkte, es wäre Zeit für einen Ölwechsel, suchten wir eine grosse Ford Garage in Winnipeg auf, da unser Wohnmobil auf der Basis eines Ford Transit gebaut ist. Nach einer Weile wurde uns dort gesagt, dass unsere Fahrgestellnummer ungültig sei. Etwas ungläubig rieben wir uns darauf die Augen. Wie kann das sein? Wir baten die Servicetechniker die Nummer doch gleich selbst abzulesen, um ganz sicher zu sein. Zwei Stunden und einige Recherchebemühungen später wurde uns schliesslich eröffnet, dass es nirgends in Nordamerika einen Ölfilter für unser Fahrzeug geben würde. Bei unserem Ford handle es sich um ein europäisches Modell mit komplett anderem Motor. Als wir – noch zuhause – in unserer Heimgarage nachfragten, ob es Sinn machen würde, gewisse Ersatzteile nach Kanada mitzunehmen, wurde uns versichert, dass dies nicht notwendig sei. Ford sei schliesslich überall in Nordamerika sehr zahlreich vertreten und wir wären dort gut aufgehoben. Nun wurden wir vor Ort eines besseren belehrt und so blieb uns nichts anderes übrig, wie durch unsere Eltern in der Schweiz einen Ölfilter organisieren und diesen nach Kanada schicken zu lassen. Obwohl das Servicepersonal sehr hilfsbereit war, hat es uns schon überrascht, dass Ford Nordamerika selbst keine Ersatzteile für europäische Ford Fahrzeuge bestellen kann.

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Ölfilter für unser Fahrzeug

Schliesslich konnten wir ein paar Wochen und einige Tausend Kilometer später doch noch in einer Ford Garage unseren Ölwechsel mit dem selbst organisierten Ölfilter durchführen lassen.

Zum anderen haben wir vor kurzem festgestellt, dass einer der Vorderreifen relativ stark einseitig abgefahren war, da offensichtlich die Lenkspur nicht mehr optimal ausgerichtet war. Kurzfristig konnten wir das Problem beheben, indem wir unser Reserverad montierten. Um das Problem auch nachhaltig zu lösen, mussten wir jedoch die Spur neu einstellen lassen und irgendwo zwei neue Vorderreifen auftreiben. Nichts leichter als das, dachten wir anfänglich. Über Wochen haben wir so jeden Reifenhändler in Kanada abgeklappert, bis wir ernüchtert feststellen mussten, dass unsere Reifengrösse 185 75 R16 in Nordamerika geradezu exotisch ist und darum auch nirgends Reifen dafür zu kaufen sind. Damit hatten wir nun wirklich nicht gerechnet. Nach vielen Tagen des Hin und Her fanden wir schliesslich via Ebay in den USA Sommerreifen für exakt unsere Grösse. Unsere Präferenz wären zwar Winterreifen gewesen, doch auszuwählen gab es mangels Alternativen schlicht und einfach nichts. Wir waren sehr erleichtert, doch noch passende Reifen gefunden zu haben – auch wenn wir noch nie zuvor etwas von dieser Reifenmarke gehört hatten. Die neuen Reifen waren schnell bestellt und innert zwei Tagen auch schon geliefert. So sind wir nun seit einigen Tagen mit zwei neuen Sommerreifen unterwegs und fühlen uns bestärkt im Plan, dem drohenden Winter definitiv zu entgehen und in wärmere Gefilde – sprich in den Süden der USA – weiterzuziehen.

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Neuer Sommerreifen

Das eigene Wohnmobil nach Kanada mitzunehmen, hat einige Vorteile aber auch einige Nachteile wie oben beschrieben. Trotzdem treffen wir nicht sehr oft, aber doch ab und zu gleich verrückte Reisende wie wir, die es wagen, abseits der ausgetrampelten Pfade unterwegs zu sein und ihr eigenes Fahrzeug mitzubringen.
Bis jetzt haben wir’s noch immer geschafft, eine Lösung zu finden, auch wenn es anfänglich nicht danach aussah. Rückblickend lässt sich aber auch sagen, dass wir gerade bei der Lösungsfindung besonders viel über Kanada und dessen Menschen gelernt haben. Und wie schon nach der schwierigen Reparatur unserer Heizung galt auch diesmal: jede bestandene Herausforderung stärkt das Vertrauen in die eigenen Möglichkeiten. So gesehen, hat’s auch durchaus sein Gutes.